RUSSISCHE KULTURTAGE TRILATERAL 2021
Vortrag: Prof. Dr. Dr. Dirk Kemper (RGGU, Moskau)
Um einen fremden Autor/eine fremde Autorin im eigenen Literatursystem einzubürgern, bedarf es weit mehr als nur einer Übersetzung. Warum sollte sich das heimische Publikum dafür interessieren? Anschlusspunkt und Brückenbegriffe müssen her, um die vorhandene Leseerfahrung mit dem fremden Text zu verknüpfen. Etwa in der Art: Dostoevskij ist modern, sozial engagiert und passe zu den progressivsten Strömungen der deutschen Literatur um die Jahrhundertwende. Oder so: Dostoevskij ist konservativ, monarchistisch und aggressiv bewahrend, habe einen scharfen Blick auf Deutschland vom Osten her, der sich ganz anders ausnimmt, als die Vereinnahmung Deutschlands durch den Westen. Wenn seine Texte aus dem eigenen Kulturkreis in einen fremden übertragen werden, kann der Autor sein blaues Wunder erleben. Der russische Dostoevskij hat eventuell nicht mehr viel mit dem französischen zu tun oder gar mit dem deutschen. Das gilt immer: Der französische Hegel musste auch nicht viel mit dem deutschen Philosophen gemein haben.
Um 1900 tobt in Deutschland also ein Wettstreit darum, wer sein Dostoevskij-Bild in der Öffentlichkeit durchsetzen kann. Zu berichten ist von vielen Konkurrenten und Spielern – und einem großen Sieger.
Prof. Dr. Dr. Dirk Kemper
Germanist und Komparatist, Inhaber des Thomas Mann-Lehrstuhls für Deutsche Philologie und Direktor des Instituts für russisch-deutsche Literatur- und Kulturbeziehungen an der RGGU Moskau, Mitglied des Internationalen Graduiertenkollegs 1956.
Kollegiengebäude I HS 1199
Eintritt: frei
www.igk-kulturtransfer.uni-freiburg.de
Vorherige Anmeldung unter: kontakt@igk1956.uni-freiburg.de
Bitte beachten Sie, dass aufgrund der aktuellen Warnstufe im BW die Präsenzveranstaltungen nun nur unter 2G-Regel statt finden können. Aus diesem Grund werden wir den Vortrag zusätzlich live streamen.
Link zum Livestream: https://uni-freiburg.cloud.panopto.eu/Panopto/Pages/Viewer.aspx?id=4b4b49b1-cb29-4f40-b32f-ade200dea91e