„Berdytschiw ist für die Juden, was Paris für die Franzosen ist.“ (Scholom Alejchem) Heute leben in der Stadt, 150 Kilometer südwestlich von Kyjiw, die Bewohner wie überall in der Ukraine im Kriegsmodus. 1793, bei der zweiten polnischen Teilung, fiel das polnische Schtetl Berdytschiw wie der ganze Südwesten der Ukraine an Russland. Bald wurde es zum einem bedeutenden Handelsplatz mit einer rasant wachsenden, mehrheitlich jüdischen Bevölkerung. Berdytschiw galt als das „wolhynische Jerusalem“, die „jüdischste Stadt“ des Russischen Reichs, später der Sowjetunion. Hier heiratete Honoré de Balzac seine Langzeitgeliebte, eine polnische Gräfin; hier erblickte Joseph Conrad das Licht der Welt. Die jüdische Bevölkerung wurde im Holocaust ermordet. Doch in der Literatur ist Berdytschiw glanzvoll und schmerzlich aufgehoben. Im Vortrag werden diese Geschichten und der heutige Umgang der Stadt mit ihrem kulturellen Erbe beleuchtet.
Brigitte van Kann, Slavistin, konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die russische Kultur und Literatur, insbesondere auf die russischen Juden. Van Kann gilt auch als anerkannte Übersetzerin.